Es gibt nichts zu beschönigen: Die Lage für das Theater ist ernst!

 Die „Freunde des Zittauer Theaters e.V.“ bangen wieder einmal um den Erhalt des Theaters, nicht nur des Zittauer Standortes, sondern des gesamten Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz-Zittau. Sie wissen es bestimmt: Die Finanzierung ist nicht gesichert, die Ausgaben steigen u.a. wegen neuer Tarifverträge und gestiegener Energiekosten. Es scheint eine unendliche Spirale zu sein… ein Ende ist nicht in Sicht. Die Medien berichteten in den letzten Wochen und Tagen mehrfach davon.

Nach dem letzten großen Bangen, als wir uns als Theaterfreunde an den Sächsischen Landtag gewandt hatten und großen Widerhall in den Medien fanden, konnte die Situation durch den Kulturpakt mit dem Freistaat Sachsen für wenige Jahre entspannt werden. Bald schon war klar, ohne Fortführung und Dynamisierung der Zuführungen wird es nicht gehen. Dann sollte das vom damaligen Landrat Bernd Lange beauftragte Theatergutachten eine zukunftsfähige Lösung für die Theaterlandschaft bringen, sorgte aber mit seinen Strukturvorschlägen für Unruhe und Widerspruch. Es wurden Arbeitsgruppen tätig – scheinbar aber ohne Ergebnis.

Wir sind einerseits dankbar, dass der Kulturpakt fortgeführt wird und in diesem Jahr auch mehr Geld vom Kulturraum für das Theater beschlossen wurde. Man sieht die Bemühungen und auch die Bekenntnisse zum Theater. Es ist aber überdeutlich: das alles reicht nicht! Allein in diesem Jahr fehlen dem GHT 1,3 Mio Euro, im nächsten noch mehr. Der Landrat Dr. Meyer erklärte der Belegschaft kürzlich, dass die beantragten Mittel nicht vom Landkreis aufgebracht werden können und nur die vor einem Jahr versprochenen Mittel im Haushalt vorgesehen sind. Auch Zittau hat eine ähnliche Situation. Nun bangen alle, wie es weitergeht, ob es Entlassungen von 30 – 40 Leuten, Streichungen ganzer Sparten usw. gibt. Der Betriebsrat des GHT hat schon klargestellt, dass dies arbeitsrechtlich nicht kurzfristig möglich ist und die Gelder so in diesem Jahr gar nicht gespart werden könnten. Wer will sich diesen Kahlschlag auch vorstellen? Jedoch, wenn kein Wunder geschieht, muss Dr. Morgenroth für das Theater Insolvenz anmelden.

Der Landkreis steht aktuell vor der äußerst schweren Aufgabe, trotz großem Defizit von über 40 Mio Euro einen Haushalt zu beschließen, der von der Landesbehörde genehmigungsfähig ist. Die Auflagen des Sächsischen Finanzministeriums fordern u.a. Einsparungen, ein Konzept zur Senkung der Ausgaben und die Erhöhung der Kreisumlage. Dann könnte u.U. der Haushalt mit geringerem Defizit genehmigt werden und ein Antrag auf Ausgleich gestellt werden. Gewiss ist das aber nicht. Die Erhöhung der Kreisumlage, die ohnehin die höchste im Freistaat Sachsen ist, wiederum trifft die Kommunen, die weitgehend ebenfalls keine finanziellen Spielräume haben und sich wehren. Das hat manchen Bürgermeister aktuell veranlasst, die Streichung oder Reduzierung der Ausgaben z.B. für das Theater zu fordern und sich nur auf Pflichtaufgaben zu konzentrieren.

Am 29. März stand nun die Entscheidung im Kreistag zum Haushalt und zum Haushaltstrukturkonzept an. Ich habe mir das angehört. Es wurde deutlich, wie sehr um den Haushalt gerungen wird und dass der Kreis in einer ausweglosen Lage ist, da es keine Entscheidungsspielräume gibt. Ursachen ist v.a. die Überbürdung mit Aufgaben durch Bundes- und Landesgesetze im Sozialbereich. Die Ausgaben steigen exorbitant und sind nicht vor Ort beeinflussbar. Der Landkreis hat deshalb den Freistaat Sachsen verklagt. Zur guten Stimmung trägt das sicher nicht bei. Es wurde am Mittwoch nach einem Kompromissvorschlag mehrerer Fraktionen mehrheitlich ein Beschluss zum Haushalt gefasst, der eigentlich nur ein Nothaushalt ist. Jedoch kam es dann aber knapp zu keiner Mehrheit für das Strukturkonzept, wodurch die Bedingung für eine Genehmigung eigentlich doch nicht erfüllt ist. Der Ausgang ist also offen. Wenn es keinen Haushalt gibt, können nur Pflichtaufgaben erfüllt werden und z.B. die Kultur- und Sportförderung wäre nicht möglich. Mit Haushalt ist die Finanzierung aber auch

nicht auskömmlich. Der Kreistag hat beschlossen, sich für eine bessere Ausstattung und den Ausgleich der gestiegenen Ausgaben im Pflichtbereich bei Land und Bund stark zu machen. Manche Kreisräte sind skeptisch und desillusioniert, da das schon in den letzten 12 Jahren mehrfach gefordert und doch nie erreicht wurde.

Wie es für das Theater nun aussieht, ist unklar. Die Beratung dazu wurde vertagt und soll separat erfolgen. Was mit dem Haushaltsstrukturkonzept wird, ist auch unklar, denn der Kreistag wird bei einer erneuten Abstimmung sicher nicht anders entscheiden. Der Presse entnehme ich, dass die Geschäftsführung des Theaters aufgefordert wurde, darzulegen, wieviel Theaterleistung mit dem vorhandenen Geld möglich ist. Sie müssen nun faktisch selbst Streichungen und Lösungen anbieten.

Es ist eine wirklich schwierige Situation für alle Seiten, die durch die Krisen unserer Zeit verstärkt wird. Und es betrifft nicht nur das Theater, Kultur und Sport, sondern viele Bereiche unseres Lebens.

Dennoch: Der Kreis Görlitz ohne sein Theater mit Ensembles an beiden Standorten und ohne Philharmonie ist für uns nicht denkbar. Warum? Das Gerhart-Hauptmann-Theater entwickelt sich nach der Coronapandemie wieder gut. Es wird ein vielfältiges, ansprechendes Programm geboten. Das Publikum kehrt zurück. Es geht nicht darum, einigen wenigen Theaterfreunden ein Vergnügen zu organisieren. Das Theater ist Treffpunkt und Ort des Austausches, es befördert den Dialog und die Auseinandersetzung mit den drängenden Problemen der Zeit. Vor allem wird – vielleicht nicht für jeden sichtbar – viel für die junge Generation getan. Die Kontakte mit den Schulen werden vertieft, mobile Inszenierungen angeboten, die gut angenommen werden, z.B. aktuell der Monolog „Faust“. Seit der Wiedereinführung und Stärkung der Theaterpädagogik sind an beiden Standorten neue Spielclubs für verschiedene Altersstufen entstanden und in Entwicklung begriffen. Der TheaterJugendClub Zittau bietet mit zwei Mitgliedern des Ensembles derzeit mit dem Stück „Düsterbusch City Lights“ eine Inszenierung auf hohem Niveau, die nicht nur junge Zuschauer anlockt. Wenn man erlebt, wie diese jungen Leute für ihr Theater brennen, geht einem das Herz auf. Das alles wäre ohne Spielensembles verloren. Und wir sollten nicht nur an Zittau denken. Auch die Neue Lausitzer Philharmonie wirkt in verschiedenen Konstellationen sichtbar im ganzen Kreis. Es ist das einzige große Orchester in der Oberlausitz und bespielt auch Bautzen. Eine Abschaffung ist undenkbar. Das gesamte GHT trägt zur kulturellen Bildung und zur Lebensqualität der Menschen in dieser strukturschwachen, im Umbruch begriffenen Region bei. Diese guten Entwicklungen dürfen nicht gefährdet werden. Im Gegenteil, sie sind auszubauen und zu stärken. Ohne das Wirken der verschiedenen Ensembles, des Orchesters, der Mitglieder aller Sparten des GHT wäre ein professionelles kulturelles Leben im Bereich Theater, Musik, moderner Tanz kaum vorhanden. Der Strukturwandel in der Lausitz darf nicht nur wirtschaftlich determiniert sein, er muss mit Kultur, Kunst und Bildung begleitet werden, um die Region lebenswert und anziehend zu gestalten. Das Theater ist wie die Hochschule ein wichtiger Standortfaktor.

Wir „Freunde des Zittauer Theaters“ sehen die drei Gesellschafter des GHT in der Pflicht, sich gemeinsam für den Erhalt der Kultureinrichtung und ihrer vielfältigen Angebote stark zu machen. Sie dürfen die Theaterleitung jetzt nicht allein lassen. Dazu gehören die Bemühungen, weitere Finanzierungsquellen auf Landes- und Bundesebene zu erschließen und einzufordern. Vielleicht gibt es auch unkonventionelle Wege? Bei der Gewinnung finanzkräftiger Sponsoren aus der Wirtschaft – auch überregional – und bei der Begründung von Partnerschaften mit Industrie- und Handwerksbetrieben sollten sie das Theater unterstützen. Zugleich wird das Theater nicht umhinkommen, alle Möglichkeiten für Optimierungen, Einsparungen, Synergien und Einnahmeerhöhungen auszuloten.

Wir Zittauer Theaterfreunde wollen natürlich auch weiterhin helfen. Aber bei diesen offenen Summen stockt einem schon der Atem. Treten Sie alle – wo immer Sie können – dafür ein, dass unser Theater Zukunftssicherheit bekommt!

Prof. Dr. Bärbel Fliegel