Liebe Theaterfreunde,
haben Sie die Angebote und Neuinszenierungen der Spielzeit in diesem sonnigen Herbst schon genossen? In manchen Fällen ist bekanntlich Beeilung angesagt, denn allzu lange laufen die Stücke leider nicht.
Die Konzerte sind sowieso einmalig – im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn man es verpasst hat, gibt es kaum noch eine Chance. Der Hildegard-Knef-Abend ist noch ab und an in Görlitz zu erleben. Er wirkt übrigens bei mir nachhaltiger als gedacht. Es lohnt sich, näher auf das Leben und Werk dieser Frau zu schauen, vor allem ihre Lieder zu hören und ggf. die Autobiografie zu lesen.
Die spritzige Komödie „Der Neurosenkavalier“ ist nun vorerst abgespielt und wird dann Silvester und Ostern noch einmal in Zittau für Lachsalven sorgen. Wer es bisher verpasst hat und ohne viel Hintergedanken einen unbeschwerten und lustigen Abend verbringen will, sollte sich darum bemühen. Die Gags sitzen, die Schauspieler genießen das Spiel und die Ausstattung passt. Im neuen Jahr gibt es auch 4 Termine in Görlitz.
Momentan wird die große Bühne für die Proben zum Weihnachtsmärchen „Die Schneekönigin“ gebraucht. Ich denke, das sollte man nicht verpassen. Die Matinee am 4. November hat Lust auf mehr gemacht. Mancher bedauerte, keine Enkel mehr zu haben. Das sollte aber kein Hindernis sein, wir werden auch eine Abendvorstellung besuchen. Mehr Zauber hat es natürlich mit Kindern, warum nicht mal die Nachbarkinder überraschen? Die vielen Vorstellungen in Zittau und Görlitz werden auf jeden Fall für alle Akteure eine Herausforderung, z.T. wird in Görlitz drei Mal hintereinander gespielt. Da haben die Schauspieler dann Anfang Januar eine Pause redlich verdient.
Bis zum großen Vorweihnachtsprogramm wird auf der neuen Studiobühne noch mehrfach „Quartett“ von Heiner Müller gespielt. Im Bericht zum Stammtisch am 17. Oktober habe ich schon einige Anmerkungen vorab gemacht. Nun habe ich das Stück gesehen, nicht zur Premiere sondern zum „Studententag“. Das war eine Erfahrung der eigenen Art! Es kamen reichlich Besucher, das Auslandsamt der Hochschule hatte die Studenten aus vielen verschiedenen Ländern eingeladen. Und so sahen junge Leute aus Indonesien, Marokko usw. dieses anspruchsvolle Stück des deutschen Autors, welcher ein französisches Buch aus dem 18. Jahrhundert zur Vorlage nahm. Die schon für uns schwierige Sprache war für sie erkennbar nicht verständlich. Das bestätigte der chinesische Student, der neben uns saß. Die in Watton nachgestalteten nackten, dicken Körper lösten bei den jungen Leuten zunächst verlegenes Lachen aus – auch bei den mit Kopftuch verhüllten Mädchen. Mit großer Aufmerksam verfolgten die Zuschauer das intensive Spiel der beiden Darsteller und erfreuten sich an deren Pathos, Spielfreude und Wandelbarkeit. Sie erkannten, dass Rollen gespielt und dabei die Geschlechterrollen getauscht wurde. Am Ende gab es reichlich Beifall und sicher viele Fragen. Den tieferen Sinn des Stücks, die Intention der Inszenierung und der Ausstattung konnten die Studenten ohne spezielle Vorbereitung nicht erfassen. Leider wurde die angebotene Einführung des Dramaturgen 30 Minuten vor Beginn nicht genutzt – eine verschenkte Möglichkeit.
Ich hoffe, nach dem schwierigen Einstieg sehen wir diese jungen Gäste auch zu anderer Gelegenheit wieder einmal in unserem Theater. Manchem anderen Zuschauer wünschte ich die Neugier und Offenheit, die ich auf ihren Gesichtern fand.
Prof. Dr. Bärbel Fliegel