Es ist Krieg – und dennoch wieder einmal ins Theater?!

Liebe Theaterfreunde,

Sie sehen mich frustriert und geängstigt vom Krieg Putins gegen die Ukraine. Ich jedenfalls habe diese Entwicklung so nicht vorhergesehen und auf den Erfolg der Diplomatie in der letzten Minute gehofft. Nun gibt es viel Leid, die Flüchtlinge – Frauen und Kinder aus der Ukraine – erreichen Polen und auch schon Deutschland. Große Unsicherheit herrscht über das Ausmaß und die Auswirkungen, die dieser Konflikt auf uns alle haben wird. Kann man in dieser Zeit an Theater und Kultur denken? Darf man Aufführungen genießen und herzlich lachen? Letztlich muss es jeder selbst entscheiden. Wir haben unsere Karten in den letzten Tagen nicht verfallen lassen und drei sehr unterschiedliche schöne Theatererlebnisse gehabt. Wir haben diese Welt und die Probleme zeitweise vergessen, aber auch am Rande der Veranstaltungen mit Freunden und Theaterleuten über die aktuelle Situation diskutiert.

Einige Theaterenthusiasten trafen sich am 24. Februar zur Lesung von Michael Becker. Begonnen hat er die Veranstaltung angesichts der heutigen Lage bewusst mit Auszügen aus dem Stück „Dantons Tod“, das unser Schauspieldirektor Ingo Putz vor ca. 15 Jahren in Cottbus mit ihm in der Hauptrolle inszenierte. Es ist frappierend, wie aktuell Georg Büchners Worte, die er Danton und Robepierre in den Mund legte, gerade heute sind.  Die Erinnerungen an seine Kindheit, sein Schauspielerleben und vor allem an seine Anfangszeit von 1976-1979 am GHT waren mit Anekdoten und Pointen gespickt. Und für die Älteren wurde manche Erinnerung an legendäre Intendanten, Schauspieler und Mitarbeiter des Hauses geweckt. Der Verein schenkte ihm im Anschluss das Theaterbuch, in dem er auch verankert ist. Und auch M. Becker hatte seine letzte Broschüre mit Anekdoten als Geschenke bereit. Lange haben wir noch beisammengesessen. Das sind schöne Stunden, die Theaterfreunde erleben können. Eine Wiederkehr von Michael Becker mit anderen Projekten gemeinsam mit I. Putz ist nicht ausgeschlossen.  

Am Freitag startete ein neues Projekt im Foyer: „Über den Tellerrand“. Südamerika war die erste Station einer kulinarischen Weltreise. Der Olbersdorfer Koch Torsten Eckelt war einige Jahre in Ecuador tätig und zeigte dem Publikum die Zubereitung verschiedener Speisen der südamerikanischen Küche, die es als 4-gängiges Menü umgehend serviert bekam. Ingo Putz agierte als Hilfskoch und Moderator und konnte seine im Biologie-Studium erworbenen Kenntnisse zu Pflanzen und Gewürzen einbringen. Ein kolumbianischer DJ untermalte die Show mit entsprechender Musik. Ein unterhaltsamer und vor allem sehr schmackhafter Abend, dem nach Möglichkeit weitere mit anderen Zielen und Akteuren folgen sollen.

Am Samstag folgte dann die Premiere des Schwanks „Die spanische Fliege“. Ehrlich gesagt, ganz zeitgemäß ist das über 100 Jahre alte Stück nicht, aber es ist so eine herrliche Klamotte! Man kann sich wirklich köstlich unbeschwert amüsieren. Und das vor allem auch, weil eine eigenwillige Spielweise gefunden wurde und alle 10 Darsteller ihr Bestes geben. Es gibt kaum Requisiten, sondern das pure Spiel und die Mimik der Akteure, die ihre Figur individuell charakterisieren. Wirklich genial agiert Patricia Hachtel in der männlichen Hauptrolle des Mostrichfabrikanten Ludwig Klinke. Ein Hingucker sind die passenden Kostüme und Masken. Das Bühnenbild öffnet für jeden Auftritt eine neue Bühne auf der Bühne, unterstreicht, dass hier jeder jedem etwas vorspielt. Auf jeden Fall hatten die Werkstätten, der Malsaal, die Kostümabteilung und die Maske wieder viel zu tun. Es ist die Gelegenheit das gesamte kleine Ensemble und eine Gastspielerin zu erleben. Sie sollten das nicht verpassen!   

Noch ein aktueller Tipp: Am 3. März 19.30 Uhr wird sich der Schauspieler Paul- Antoine Nörpel in einem Zwischenspiel „An einen Künftigen“ dem oberlausitzer Dichter Franz Hackel annähern, der 1962 in Lückendorf starb. Sein Leben als Dichter, Soldat im I. Weltkrieg, Kommunist, Sachse, Oberlausitzer, Tschechischer Staatsbürger, Schriftsteller, Anarchosyndikalist und KZ- Häftling bietet ihm und den Zuschauern den Stoff zum Nachdenken. Aus aktuellem Anlass ist auf der Web-Seite des GHT sein Gedicht „Aufruf zum Frieden“ eingestellt.

Freuen können Sie sich auch auf die Operette „Der liebe Augustin“, die nun in Zittau ab 12. März mehrfach gespielt wird.

Und da ist dann noch das JOS-Festival! Vom 16. – 20. März 2022 gastieren wieder Schauspielensembles von mehreren Partnertheatern Polens und Tschechiens mit ihren Inszenierungen. Es sind zumeist anspruchsvolle Themen und Dramen. Einige sind auf die Jugend zugeschnitten und werden vormittags mit Workshops für Schulen eingeführt. So das Stück „Malala. Das Mädchen mit der Kugel im Kopf“ (Puppenspiel, Jelenia Gora) und „Name Sophie Scholl“ (Zittau). Wir planen, dieses Stück mit einem Gespräch zu einem anderen Termin mit einem Stammtisch zu verbinden. Abends stehen z.B. zur Eröffnung am Mittwoch ein polnisches Familiendrama, am Donnerstag das Monodrama „Orten“ über die Tagebücher 1939-1941 des jungen jüdischen Dichters (Liberec) und am Freitag „Der Steppenwolf“ nach Hermann Hesse (Usti nad Labem) auf dem Plan. Am Samstag zeigt der TheaterJugendClub eine Werkschau zu seinem neuen Stück „Wolf Gäng – Sei (k)ein Schaf“. Es gibt wieder Simultanübersetzungen oder Übertitel. Umrahmt wird das Festival mit Workshops, Werkeinführungen, Musik und Party. Den ausführlichen Plan können Sie im Leporello und auf der Web-Seite nachlesen. Es gibt wieder den Festivalpass zu 20 Euro für den Eintritt zu allen Ereignissen. Vielleicht versuchen Sie es einmal?  

Prof. Dr. Bärbel Fliegel

Vorsitzende